o.T. aus der Werkreihe "Gruppe"
Künstler/in
Ulrike Lienbacher
(geb. 1963 in Oberndorf, Salzburg)
Date1996
ClassificationsObjekt
MediumPolyester lackiert
Dimensions90 × 60 cm
Credit LineArtothek des Bundes
Object number25016
DescriptionDie bildhauerische Arbeit Ulrike Lienbachers kreiste während der letzten Jahre um die körperlichen und erotischen Konnotationen von scheinbar zum praktischen Gebrauch dienenden Objekten. Ihre neueste Werkgruppe setzt sich erstmals direkt mit dem klassischen Thema der Figur auseinander, die ebenfalls sofort den Charakter eines Gebrauchsgegenstandes annimmt. Sie besteht aus drei formal identischen, etwa einen Meter großen, entfernt anthropomorphen "Stehaufmännchen". Diese wirken zunächst wie überdimensionales Spielzeug für das Säuglingsalter: überall abgerundet, bullig und glatt, wie geschaffen zum Betatschen, Nuckeln und Streicheln, decken die aus einer einzigen erogenen Zone bestehenden Drillinge das gesamte Spektrum oraler und haptischer Freuden ab.Die Erotik der glatt glänzenden Form appelliert aber auch ganz direkt an den Gaumen: die Farbwahl erinnert an Schokolade, Karamel und Marzipan, so als wären die drei "Männchen" monströse Konfekts. Um beim frühkindlichen Stadium zu bleiben, ließen sich daran auch gleich anale Phantasien knüpfen, denn das "häufchenförmige" Objekt tendiert genauso zum Abjekt, zum Fäkalischen und Skatologischen. Allein die Größe und das "karosseriseähnliche" Material - mit Autolack gespritzter Polyester - legen nahe, dass es sich, wenn überhaupt, um Spielzeug für Erwachsene handeln muß - das heisst (auch) ein Spiel mit der Kunstgeschichte der modernen und postmodernen Plastik. So zitiert etwa die an archaische Fruchtbarkeitsidole erinnernde organische Schmiegeform die kieselglatt geschliffenen Skulpturen von Arp und Brancusi. Deren narzisstische Konzentration nach innen wird durch die absolut symmetrische Form auf die Spitze getrieben und durch den Stehaufmännchen-Mechanismus ironisch gebrochen. Die modulare Gestaltung und der Anschein industrieller Serienproduktion gehorchen den Prinzipien von Minimalismus und Readymade, ohne sich damit zu identifizieren, handelt es sich doch nach wie vor um von Hand gefertigte Einzelstücke. Schließlich referiert das aufgeblasene Spielzeug die Monumentalität des Banalen in der Pop-Ästhetik von Claes Oldenburg bis Jeff Koons.
Lienbacher gelingt es, eine Fülle körperlicher Stadien und Sinnesebenen in einem einfachen, nicht-repräsentativen Modul zu bündeln, das in seiner klinischen Reinheit und technoid-erotischen Geschlechtslosigkeit das infantilisierte Begehren im Zeitalter des Cybersex spielerisch auf den Punkt bringt.
Text: Anselm Wagner
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